So geht Warm- und Kaltumformung
Seit 2004 setzt der Automobilhersteller auf warmumgeformte Stähle. Diese punkten dank ihrer extremen Festigkeit zudem mit besonders hohem Leichtbaupotenzial und ermöglichen prozessbedingt auch komplexeste Bauteilgeometrien. Stähle für die Warmumformung haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Gewichtsspirale im Fahrzeugbau durchbrochen werden konnte. „Vor allem für die Konstruktion sicherheitsrelevanter Strukturbauteile bleiben sie unverzichtbar“, sagt Ilda Hujdur. Bei VW ist sie Betriebsingenieurin in der Fertigung Warmumformung und verantwortlich für die Qualität und Werkzeuge.
Leicht und stabil
Leichtere Fahrzeuge verbrauchen weniger Kraftstoff - und stoßen weniger CO2 aus. Bestes Beispiel ist der VW Golf 7, dessen Karosserie alleine schon 23 Kilogramm leichter ist als die seines Vorgängers. Gewichtseinsparungen wie diese wurden unter anderem mit Bauteilen aus warmumgeformten Stählen von thyssenkrupp erzielt. „Der MBW® 1500 ist für diese Anwendungen heute Standard und war eine der maßgeblichen Entwicklungen im Bereich des wirtschaftlichen Stahlleichtbaus“, sagt Dr. Jürgen Schramm, Produktmanager oberflächenveredelte und hochfeste Stähle, thyssenkrupp Steel in Duisburg. Die Entwicklung geht weiter, in noch höhere Festigkeiten. Denn genau das ist das Ziel von thyssenkrupp Steel: den Produkten exakt die Eigenschaftsprofile zu verleihen, die für spezfische Anwendungen beim Kunden benötigt werden. „Gewichtsersparnis, Kosten- und Prozessoptimierung sind hierbei die zentralen Motive“, so Schramm.

Um das Leichtbaupotenzial auszuschöpfen, muss mit dem Werkstoff eine martensitische Gefügeumwandlung möglich sein. Denn nur dadurch erreicht man die benötigten hohen Festigkeiten, mit denen bei gleicher Stabilität Material und Gewicht eingespart werden kann. Darüber hinaus muss der Stahl natürlich gut umformbar sein. „Das ist dank der hohen Temperaturen im Prozess möglich, sodass mit dem MBW® sehr komplexe Bauteile hergestellt werden können“, so Schramm. „Denkt man an Hybrid- und Elektrofahrzeuge, dürfte die Nachfrage hier künftig steigen.“ Denn warmumgeformte Bauteile eignen sich wegen ihres sehr guten Verformungswiderstands optimal für die hohen Sicherheitsanforderungen im Bereich der Batterie.
Schnelligkeit und Präzision: Ilda Hujdur (VW Kassel) und Dr. Jürgen Schramm (thyssenkrupp Steel) wissen, warum stabile Prozesse für die Warmumformung so wichtig sind.
Optimal für Elektroautos

Mit dem MEB-Baukasten (Modularer Elektrifizierungsbaukasten) hat Volkswagen bereits eine Plattform für Elektroautos in Serie. Auch hierbei kommt die Warmumformung ins Spiel. In Kassel werden für den MEB ab Ende des Jahres eine Reihe Strukturbauteile produziert. „Das möchten wir noch ausweiten, denn im MEB wird es doppelt so viele warmumgeformte Bauteile geben wie im herkömmlichen Baukasten", erzählt Hujdur. So etwas hört man in Duisburg gern. Denn beim Thema Elektromobilität ist thyssenkrupp gut aufgestellt. Schramm: „Stahl ist nicht nur als Leichtbauwerkstoff für die Karosserie gefragt, sondern auch als Elektroband, dem unverzichtbaren Grundwerkstoff für Elektromotoren.“
Leichtbau in Serie
Im VW-Werk Kassel hat man sehr früh Warmumformung für die Großserie weiterentwickelt. Aktuell sind elf Warmumformlinien in Betrieb, zwei weitere sind in Planung – damit ist man der größte Warmumformer im Konzern. Rund 64.000 Bauteile werden hier pro Tag gefertigt, manche in nur einem Werkzeug, für andere werden drei Werkzeuge gleichzeitig genutzt. Für Ilda Hujdur gibt es zur Warmumformung derzeit keine Alternative: „Jedenfalls nicht, wenn man kosteneffizient arbeiten will.“

In der weitläufigen Halle 2 haben sich rund um diese Technik immer mehr Arbeitsbereiche angesiedelt. „Vom Ablauf her ergibt das alles einen Sinn“, sagt Hujdur beim Rundgang durch die Halle. „Erst schneiden wir die Platinen zu, dann formen wir sie um und bringen sie anschließend mit dem Laser auf Endkontur.“ Die gepressten Bauteile rollen kontinuierlich aus der Warmumformung in die Laserautomation und werden anschließend abgepackt. Ein fahrerloses Transportsystem nimmt die Kiste dort auf und fährt sie in die Versandanlage. Neuerdings können Teile vor Ort auch geschweißt und als komplette Komponenten geliefert werden, zum Beispiel fertige Längsträger.
Prozesssicher fertigen
Effiziente Produktionswege und eine intelligente Ressourcennutzung, darauf kommt es an. Für thyssenkrupp Steel heißt das, seine Kunden möglichst früh in die Entwicklung neuer Produkte und Technologien einzubinden und deren Produktionsprozesse zu verstehen. „Wir als Fertiger wünschen uns für die Zukunft ein möglichst großes Prozessfenster“, sagt Hujdur und meint damit robustere Werkstoffe, effiziente Prozesse und optimale Materialausnutzung. Eine große Rolle spielt auch der Korrosionsschutz – vor allem beim Batteriekasten. Bei thyssenkrupp Steel wird bereits an neuen Lösungen gearbeitet. „Wir entwickeln unser Produktportfolio stetig weiter“, so Schramm. „Stahl ist und bleibt der dominierende Werkstoff im Automobilbau.“